Wappen von Wedtlenstedt

2024 - Wo die Weihnachtsbäume tief fliegen.




Achtung: Tief fliegende Weihnachtsbäume Bei der geselligen Dorftradition mit skandinavischem Ursprung dreht sich (fast) alles um die richtige Wurftechnik.


Von Arne Grohmann  (Artikel der Braunschweiger Zeitung vom 29.01.2024)

 Wedtlenstedt.. Der Gummistiefel Weitwurf hat schon lange seinen Platz im „Guinness Book of Records“. Der Wedtlenstedter-Weihnachtsbaum-Wurfwettbewerb (kurz WWW) hat auch seine Rekordlisten. Die jüngsten sind noch nicht geschrieben, denn am Samstagabend lief das „Knutfest“ in Wedtlenstedt noch. Entsprechend waren noch nicht alle Weihnachtsbäume geworfen.
„Wo fliegen se denn?“, fragten sich einige beim „Knutfest“ zwischen Schützenhaus und Sportplätzen. Dabei lautet die eigentliche Frage: Wie fliegen sie denn am besten, also am weitesten?
Sportwissenschaftlich ließen sich darüber Bücher schreiben und mindestens Doktorarbeiten verfassen. Biomechanik, Motorik, Schnelligkeit, Gewandtheit, Kraft - da spielt einiges mit rein in den komplexen Bewegungsablauf eines gut und elegant ausgeführten Wurfs eines ausgedienten Weihnachtsbaums.
Dabei gibt es ein paar grundsätzliche Fragen vorab zu klären. Zum Beispiel die: Speer- oder Hammerwurftechnik? Wie ein Speer gegriffen und geworfen wird, ist den meisten noch einigermaßen klar und möglich: anlaufen, Wurf-Arm mit dem Baum nach hinten unten, Bogenspannung und Stemmschritt, Abwurf mit kraftvollem „Zug“ aus dem Arm. Die Schleudertechnik, also sich wie ein Hammerwerfer in der Leichtathletik mitsamt dem Weihnachtsbaum um die eigene Achse zu drehen, so Schwung und Fliehkraft aufzubauen, um das Weihnachtswurfgerät zum richtigen Zeitpunkt aus den Händen zu lassen - das ist schon eine deutlich komplexere Bewegung. Und dann ist da noch die andere wichtige Frage: Spitze oder Stammende voran? Ergänzt durch: eine oder beide Hände und Arme, unterfassen oder nur den Stamm oder Zweige greifen?
Fliegt das dicke Stammende voran, liegen die Äste des Weihnachts- baums besser im Wind. Mit der Spitze voran fängt sich in ihnen der Wind wie in einem Segel und bremst die Fluggeschwindigkeit.
Ach ja, da war doch noch etwas: Hochflug oder Purzeltechnik? Bei letzterer wird eher knapp über oder gar auf dem Boden geworfen, in der Hoffnung, dass sich am Ende ein Teil des Baumes noch in die richtige Richtung dreht. Denn die Regel sagt, dass nicht - wie beim echten Weitsprung - die hinterste Marke gemessen wird, sondern der Teil des geworfenen Baumes, der am weitesten von der Abwurflinie entfernt ist.
Wie beim Fußball sind diese Diskussionen abend- und auch in Wedtlenstedt irgendwie Bierglas oder Glühweinbecher füllend. Und das ist es auch, was zumindest ein großer Teil des Dorfes schätzt an Wedtlenstedt: Die auch das Knutfest ausrichtende Volksfestgemeinschaft lädt immer wieder zu geselligen Zusammenkünften ein. Knutfest, Osternfeuer, Volksfest, Weihnachtsmarkt, ein Renner ist das Kartoffelfest, das auch viele Menschen aus der Region anzieht.
Stefan Alt von der Volksfestgemeinschaft erzählt, dass vor einigen Jahren ein Kunde zu ihm kam, der seinerseits erzählt habe, wie bei ihm zu Hause die Weihnachtsbäume eingesammelt und entsorgt werden — auch, um die Feierpause zwischen Weihnachten und Ostern zu überbrücken. So wie inzwischen auch seit einigen Jahren in Wedtlenstedt: Die Bürger bringen ihre abgeschmückten Weihnachtsbäume, die dürfen dann für einen Betrag geworfen werden, danach dienen sie als „Grillanzünder“ beim Osterfeuer.
Das echte Knutfest ist Brauch in Schweden. Dort endet die Weihnachtszeit mit dem St.-Knuts-Tag, an dem die Weihnachtsbäume abgeschmückt und dann eben entsorgt werden.