Sippenbuch Wedtlenstedt

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Das Dorf Wedtlenstedt

Abgeschlossen von den Wegen des Hauptverkehrs liegt Wedtlenstedt, Kreis Braunschweig, als reines Bauerndorf inmitten einer land- und weidewirtschaftlich genutzten Ebene. Von Osten grüßen die Türme und Schornsteine von Braunschweig (10 km) herüber, während im Norden ausgedehnte Busch- und Laubwälder, die in 5 km Entfernung vom Mittellandkanal durchschnitten werden, den Blick begrenzen. Der Abendhimmel wird im Westen erhellt von den Feuern des Walzwerkes und der Hochöfen im hannoverschen Peine und Groß-Ilsede (15 km), und nach Süden breitet sich ein weites Flachland - "die Braunschweiger Börde" - aus, die sich bis zu den waldreichen Vorharzhöhenzügen erstreckt.

Die Gegenwart wird allerdings das Landschaftsbild um Wedtlenstedt sehr stark verändern. Vom Mittellandkanal im Norden wird nach den Hermann-Göring-Werken (heutige Salzgitter AG, d. Red.) um Bleckenstedt im Süden ein Stichkanal geführt, durch den die Abgeschiedenheit Wedtlenstedts nach Jahrhunderten zum ersten Male gestört wird. Die Wedtlenstedter Bauern werden ganz besonders berührt, da sie einen Teil ihrer Feldmark für die große Schleuse dieses Kanals hergeben müssen.

Die Gegend um Wedtlenstedt ist gekennzeichnet durch besondere erdgeschichtliche Verhältnisse, die der Landschaft alle Merkmale eines Grenzgebietes aufprägten. Eingebettet zwischen dem Oker-Graben und der parallel dazu laufenden, moorig-wiesenreichen, bruchigen Aue-Senkung zeigt die Flur einen Wechsel von Löß und Sand. Eine Lößdecke breitet sich über eiszeitliche Geschiebemergel und -sande. Die Grundlage einer ergiebigen Ackerwirtschaft bildet der lockere, ton- und kalkhaltige Lehmboden. Dort, wo die Lößdecke fehlt und die Sande zutage treten, wird Gemüsebau betrieben. Wedtlenstedt selbst gehört mit zu den Kerngebieten des Braunschweiger Gemüse-, besonders des Spargelbaus.

Im Süden von Wedtlenstedt läuft die ostwestlich streifende Lößgrenze, an die wahrscheinlich in der Urlandschaft von Norden her ein riesiges Waldgebiet heranreichte, während der Raum südlich davon waldfreies Siedlungsgebiet gewesen ist. Die Feldmarken der heute im Waldgebiet liegenden Dörfer sind wahrscheinlich alle durch Rodung entstanden. Für Wedtlenstedt wird noch in den letzten Jahrhunderten das Gewinnen von Ackerland durch Rodung von Waldbeständen in den Quellen häufiger erwähnt. Wir haben es also mit einer siedlungsgeschichtlichen Grenze zu tun, die von der jüngeren Steinzeit bis zur fränkischen Zeit dieselbe geblieben ist. Erst nach dieser Zeit ist das große Waldgebiet verändert worden; Ackerbau und Weidewirtschaft haben die Flächen offen gehalten und das weitere Vordringen des Waldes verhindert.

Der Name "Wedtlenstedt" tritt uns in den Urkunden in verschiedenen Formen entgegen: Wethelm (1105), Wetelem (1270), Wetheleme (1295), Wetteleme (14. Jahrhundert), Wetelmen (1271), Witelem (1282), Wettlem (1207,1287,1339), Wethlem (1270, 1322), Witlin (1224), Witlin-stede, -stidde, -stede, ebenso auch im Familiennamen, d.h. einen Widilo, Wetil.

Die Geschichte des Dorfes ist eng mit den Schicksalen des Kreuzklosters in Braunschweig verbunden. Seine Kirche gehörte mit ihren Gütern einst der Gräfin Gertrud von Braunschweig. Als diese um 1160 den Grafen Otto II. von Northeim heiratete, kam sie zu dessen Gütern. Nach seinem Tode fielen sie dem Grafen Dietrich III. zu. Der verwendete 1105 (eher 1205, d. Red.) die Kirche zu Wedtlenstedt samt ihren Ländereien zur Ausstattung des von ihm gegründeten Klosters Kathlenburg. 1207 bestätigte Otto IV. dem Kloster den Besitz der Kirche zu Wedtlenstedt; die Pfarre hatte damals jährlich 1/2 M. ans Kloster zu zahlen. Im Jahr 1270 wurde diese Abgabe auf 24 braunschweigische Schillinge festgesetzt. Im selben Jahr wurde die Kirche vom Kloster auf 40 Jahre als Lehen an einen Presbyter Theodolphus gegeben, aber schon 5 Jahre später wurde sie durch den Bischof Otto von Hildesheim dem Kloster Kathlenburg einverleibt. Um die gleiche Zeit lebte eine Familie von Wedtlenstädt, die unter den Ministerialen des Pfalzgrafen Heinrich schon genannt wird. Nach einem 1226 genannten Barthold von Wedtlenstedt lernen wir 1270 Johannes von Wedtlenstedt kennen, der 9 Hufen Herzoglichen Lehens und 4 Hufen Eigengut in Wedtlenstedt an das Kreuzkloster und 11 Jahre darauf noch eine Hufe verkaufte. Dazu erwarb das Kreuzkloster 1295 ein Gut von denen von Barem, 1384 (außer der Kirche) 7 Hufen vom Kloster Kathlenburg.

1383 war die Kirche größtenteils zerstört, und selbst der erhaltene Teil drohte dem Einsturz. Die Erhaltung des Besitzes war bei der Entfernung und den damals herrschenden Unruhen dem Kloster Kathlenburg kaum noch möglich. Deshalb verkaufte es Gut und Gerechtsame an das Kreuzkloster in Braunschweig. Den Zehnten des Dorfes hatte das Kloster 1315 dauernd erworben, mußte jedoch noch 1318 den Halben Zehnten den von Ursleben für 48 M. abkaufen.

1423 am 6. September erwähnt die Chronik der Stadt Braunschweig, Band I S. 272:

"Ok gaff de Rad "6" mark vor en elrenholt by Wettlemstede dem Proveste von deme Rennelberghe to deme teigelhuse in anno "XXIII" Magni unde scal waren twe jar."

Im Jahre 1569 finden wir zum ersten Male eine Übersicht über die Besitzer und Größe der Höfe; es gab damals in Wedtlenstedt: 1 Ackermann, 2 Halbspänner und 11 Kotsassen. Diesselben finden sich auch an Zahl und Hofgröße 1685 wieder; erwähnt werden noch 6 "ges. Häußl.". Die Brinksitzerhöfe sind etwa 1650-1700 entstanden und hatten ursprünglich kein Land.

Nach der ersten Vermessung und Zusammenlegung der Feld- und Wiesenstücke im Jahre 1771 umfaßte das Dorf außer dem Ackerhofe des Kreuzklosters 2 Halbspänner- und 11 Kothhöfe. Die Einwohnerzahl betrug damals 198, im Jahre 1895: 277, 1910: 270 und 1933: 280.

Zum zweiten Male wurde Wedtlenstedt 1855-1859 separiert. Die Größe seiner Feldmark beträgt danach 448 ha. Vor der Separation umfaßte der Privatbesitz an Gärten, Acker, Wiesen, Anger und Forsten 278 ha in 408 Stücken, der nach der Separation auf 420 ha in 198 Stücken verteilt wurde.

Die nach und nach zu einem großen Besitztum angewachsenen Güter des Kreuzklosters in der Wedtlenstedter Feldmark gingen erst 1884 ein. Das Land wurde von da ab den Bewohnern von Wedtlenstedt, Vechelade usw. in Einzelpacht gegeben.

Die Grundlage des Erwerbes der Bewohner von Wedtlenstedt ist die Landwirtschaft. Der Hang zur Bodenbewirtschaftung liegt aber nicht nur bei den Bauern, sondern lebt in fast allen Bewohnern des Ortes. Ein gesunder Mittel-, Kleinbauern- und Pächterstand, aufgeschlossen für alle Errungenschaften moderner Bodenbearbeitung, pflegt einen intensiven Ackerbau, Weidewirtschaft und Viehzucht. Soweit kein Eigentum vorhanden, pachten die Bewohner hauptsächlich vom Domänenland (einst die Ländereien des sog. Klosterhofes) meist in Stücken zu je 15 Morgen und bewirtschaften mit Kühen diese Ländereien. Von den Haus- und Hofstellen werden die meisten landwirtschaftlich genutzt. Wie sehr die Bewohner mit dem Boden verwachsen sind, war besonders während der Zeit der großen Arbeitslosigkeit vor der "Machtübernahme" zu erkennen. Wedtlenstedt hatte damals kaum darunter zu leiden, da die in der Industrie arbeitslos gewordenen Bewohner sich Kühe anschafften, Pachtland erwarben und so ihren Lebensunterhalt verdienten. Zum Teil sind sie bis heute bei dieser Tätigkeit geblieben. Das Bauerndorf Wedtlenstedt hat so seinen Charakter über Jahrhunderte hinweg rein und ungestört erhalten können.






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